Gezielte Investitionen in Bildungsgerechtigkeit mit dem Startchancen-Programm

Foto: Annette Koroll

Wer wie ich bis vor kurzem Schülerinnen und Schülern an einer Gesamtschule unterrichtet hat, die sich die Klassenfahrt nach Weimar genauso wenig leisten können wie einen Besuch im Museum, die sich teils keine zehn Minuten am Stück konzentrieren können und so lange laut den Unterricht stören bis mindestens einer weint, weiß, wie dringend viele Schulen zusätzliche Unterstützung brauchen.  

Leider macht es in meiner Heimat im Ruhrgebiet wie in vielen anderen Städten in Deutschland einen Unterschied, ob Kinder im Norden oder im Süden einer Stadt zur Schule gehen. Gleich intelligente Kinder haben ungleiche Bildungschancen, weil sich an manchen Schulen Problemlagen häufen. Besonders Kinder, die erst noch Deutsch lernen müssen, oder junge Menschen, deren Eltern keine akademischen Abschlüsse haben, brauchen zusätzliche Unterstützung.   

Deswegen ist das Startchancen-Programm ein echter Game Changer in der Bildungspolitik.  Mit dem Startchancen-Programm stellen Bund und Länder ab diesem Schuljahr 20 Milliarden Euro für rund 4000 Schulen in den kommenden 10 Jahren zur Verfügung. Die Mittel werden dabei nicht mehr mit der Gießkanne verteilt, sondern gezielt nach sozialen Kriterien an die Schulen, die den größten Bedarf haben.  

Was genau bringt das den Schulen vor Ort? Das Programm besteht aus 3 Säulen: Mehr Personal in multiprofessionellen Teams, vor allem Schulsozialarbeit, einem Chancenbudget zur bedarfsgerechten Schul- und Unterrichtsentwicklung und einem Investitionsprogramm für eine inklusive und förderliche Lernumgebung. 

Stellen Sie sich Schülerinnen und Schüler vor, die zu Hause nicht geweckt werden, frühstücken können, wo jemand ihnen niemand erklärt, warum Schule, warum lernen, gut lesen, schreiben, rechnen zu können, wichtig ist für die Zukunft. Startchancen fördert daher gezielt Grundschulen mit einem Anteil von 60% des Programms.  

Schülerinnen und Schüler, die zuhause ihre Geschwister versorgen, mit ihren Traumata alleine gelassen sind und keinen Sportverein haben, weil sie noch nie gefragt worden sind, benötigen Unterstützung, die über den Unterricht hinausgeht.  

Hier setzen wir mit dem Chancenbudget an, das jede Schule nach den Bedarfen vor Ort einsetzen kann: Ob spezielle Tutoring-Programme, individuelle Förderungen in Lesen oder Rechnen oder Präventionsprojekte. Die Schule vor Ort weiß am besten, wo der Bedarf am größten ist.  

Viele Lehrkräfte wären aufgeschmissen ohne Schulsozialarbeit, weil Schule zum Ort für Erziehung wird, die aufgeholt werden muss, und auch, weil Corona junge Menschen langfristig belastet hat. Psychosoziale Unterstützung, Sozialtrainings und Projekte mit Erfolgserlebnissen – das alles ist möglich mit dem Startchancen-Programm, denn es werden mehr Mittel für multiprofessionelle Teams zur Verfügung gestellt.  

Und wir investieren in eine förderliche Lernumgebung. Das kann ein Schulgarten, ein neuer Experimentierraum oder ein Schulhof, der zur Bewegung – Stichwort Corona! – einlädt, sein.  

Diese Maßnahmen werden die Bildungskrise nicht im Alleingang lösen können, aber sie sind ein wichtiger Anfang für eine Bildungswende. Denn wir verteilen Mittel nach sozialen Kriterien, geben den Schulen mehr Autonomie und sorgen für eine enge wissenschaftliche Begleitung des Programms, damit wir die Erkenntnisse auch für weitere Bildungsprogramme nutzen können.