Digitalpakt 2.0: Die Schuldenbremse darf nicht zur Schulbremse werden!    

Der Gastbeitrag ist zuerst bei Wiarda erschienen.

Noch im Februar stand ich, um Emails zu beantworten, dicht gedrängt mit meinen Kolleginnen und Kollegen am einzigen Fenster im Lehrerzimmer, an dem wir Empfang hatten. Jeden Tag bin ich bepackt mit meinem privaten Beamer und meinem eigenen GigaCube von Raum zu Raum gewandert, um den Schülerinnen und Schülern kollaboratives Arbeiten mit digitalen Lernplattformen oder Visualisierungen jenseits der störanfälligen Overhead-Projektoren zu ermöglichen.   

Als Mitglied des städtischen Bildungsausschusses musste ich 2023 zur Kenntnis nehmen, dass der Glasfaseranschluss meiner Schule im Norden der Stadt Mülheim, die sich gerade erst aus dem Nothaushalt befreit hatte, bis Ende 2025 dauern würde und die Stadt für mobile WLAN-Stationen keine Mittel mehr hat.   

Dass unsere Schulen immer noch Aufholbedarf bei der digitalen Ausstattung haben, bestätigen nicht nur meine anekdotische Evidenz, sondern auch internationale Vergleichsstudien wie die letzte PISA-Studie oder Umfragen wie die letzte forsa-Schulleiterbefragung.   

Angesichts dieser Herausforderungen war ich als kürzlich nachgerückte Bundestagsabgeordnete überrascht, wie lange sich die Verhandlungen von Bund und Ländern zum Digitalpakt 2.0 schon hinziehen.  

Die Schulen und die Kommunen als Schulträger brauchen endlich ein Zeichen, wie es nach Auslaufen des aktuellen DigitalPakt Schule Ende 2024 weitergeht. Die Qualität digitaler Bildung darf nicht von der Postleitzahl, sprich vom städtischen Haushalt einer Kommune, abhängig sein. Der Digitalpakt ist auch ein Projekt der Bildungsgerechtigkeit.   

Es wird Zeit, dass sich nicht nur das BMBF zum Anschlusspakt bekennt, sondern auch das BMF endlich Aussagen zum Volumen trifft, um die Verhandlungen voranzubringen. Das aktuelle Aufstellungsverfahren für den Bundeshaushalt 2025 ist entscheidend, um die drohende Förderlücke zu verhindern. Der Digitalpakt 2.0 darf nicht an der zukunftsgefährdenden Sparpolitik eines Christian Linders scheitern, die nicht nur Schulden, sondern ganz konkret unsere Schulen bremst. Eine Reform der Schuldenbremse ist nötig, denn ein weiteres Sparen an Zukunftsinvestitionen wie Bildung und Digitalisierung, schadet nicht nur den individuellen Entwicklungschancen unserer Kinder, sondern auch unserer Wirtschaft, die schon jetzt mit einem sich immer weiter verschärfenden Fachkräftemangel zu kämpfen hat – gerade auch im MINT-Bereich.   

Natürlich ist es mit frischem Geld von Bund und Ländern allein nicht getan. Der Digitalpakt 2.0 muss pädagogisch sinnvoll eingebettet sein. Die Konzepte zum sinnvollen Einsatz digitaler Medien liegen auch schon bei so gut wie allen Schulen in der Schublade, einzig die Technik fehlt, um die Konzepte auch umzusetzen.  

Damit der Digitalpakt 2.0 zum Erfolg wird, sind für mich außerdem folgende Punkte entscheidend: 

Die Mittel des Digitalpakt 2.0 müssen evidenzbasiert verteilt werden. Das Startchancen-Programm mit der teilweisen Abkehr vom Königsteiner Schlüssel kann hier als Blaupause dienen. Der Digitalpakt 2.0 könnte das zweite große Bund-Länder-Projekt zu werden, das im Bereich Schule nach realen Bedarfen fördert. Dafür ist ein neuer Verteilschlüssel nötig, der bspw. die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, den Nachholbedarf im Bereich Digitalisierung (z.B. anhand bestehender Daten aus dem ersten Digitalpakt) und die Wirtschaftskraft der Länder (z.B. durch negatives BIP) berücksichtigt.  

Neben der technischen Ausstattung müssen die Digitalpakt-Mittel eine IT-Administration an den Schulen rechtssicher ermöglichen. Hier braucht es Fachleute und die ohnehin schon stark eingespannten Lehrkräfte müssen von diesen Zusatzaufgaben entlastet werden. Auch hier zeigt das Startchancen-Programm mit dem Fokus auf multiprofessionelle Teams den Weg in die richtige Richtung.   

Vielleicht am wichtigsten sind Investitionen in Maßnahmen der Lehrkräfteaus-, -fort- und -weiterbildung im Bereich der digitalen Bildung. Die Nutzung digitaler Technik allein ist noch kein Fortschritt. Ein schlechtes Arbeitsblatt ist noch kein gutes, nur weil es digitalisiert wurde. Lehrkräfte müssen zeigerichtet aus- und fortgebildet werden, auch gerade im Umgang mit Künstlicher Intelligenz, die längst angekommen ist im Klassenzimmer. Lehrerinnen und Lehrer sollten eine kritische Auseinandersetzung mit Medienangeboten und dem eigenen Medienverhalten  erlernen und weitergeben können. Der Umgang mit Hass im Netz und Desinformation gehört ebenfalls in die Curricula. Nun kann der Digitalpakt 2.0 nicht alle Herausforderungen lösen. Das muss er auch nicht, denn er ist eine Ergänzung zu den vielen guten, bestehenden Programmen der Länder. Eine “Experimentierklausel” im Pakt könnte zudem die Möglichkeit schaffen, Freiräume für innovative Konzepte und deren Transfer zu ermöglichen.   

Investitionen in digitale Bildung sind Zukunftsinvestitionen. Kurzfristig müssen Bund und Länder die Verhandlungen zum Digitalpakt 2.0 zeitnah zum Erfolg zu führen. Mittelfristig gehört die Schuldenbremse reformiert, um weitere Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen. Langfristig ist außerdem eine Debatte über eine Reform des Bildungsföderalismus nötig. In meinen Augen ist die Finanzierung der digitalen Bildungsinfrastruktur eine Daueraufgabe, die einer besseren Lösung bedarf als der des Status Quo, damit wir nach Auslaufen des Digitalpakt 2.0 nicht wieder von vorne anfangen müssen.